Service-PPAP - wenig Information für viel Geld

In diesem Artikel gibt der Autor Jörg Schacht seine persönliche Antwort auf die Frage "Was gibt es Neues in der Ausgabe "Service PPAP" (auf Deutsch "PPAP für Ersatzteile") von der AIAG zu berichten?"

18.10.2015
Jörg Schacht

Service-PPAP oder: Noch nie so wenig Information für soviel Geld bekommen

Bei diesem Artikel will ich mich der Thematik von einer etwas anderen Seite nähern, als einfach nur aufzuzählen, was sich konkret geändert hat. Dazu stellen sich zwei grundsätzliche Fragen, über deren Beantwortung ich gerne in die Beschreibung der Neuerungen / Ergänzungen im Service PPAP einsteigen möchte.

  1. Was ist anders bzw. besonders an Serviceteilen als an normalen Serienteilen?
  2. Warum hat die AIAG überhaupt eine spezielle Ausgabe für Serviceteile herausgegeben?

Bei Serviceteilen werden von der AIAG zunächst zwei Arten unterschieden:

A) Neue Ersatzteile (Third Party Packager) - hier wird dann nochmals eingeteilt in:

  • A-1) Procured Parts (bereit gestellte Teile: Teile werden im Namen des Produzenten / third party packager an Verteilcenter oder Händler geliefert)
  • A-2) Consigned Parts (übergebene Teile: Teile werden im Namen des OEM an Verteilcenter oder Händler geliefert)

B) Überarbeitete Teile / Austauschteile (Remanufactured Products)

Grundsätzlich gibt es mehrere Besonderheiten der Serviceteile gegenüber den normalen Serienteilen festzuhalten:

  • 1) Weniger Teile / kleine Losgrößen: In der Regel werden bei der Herstellung von Serviceteilen (nach dem Auslauf der Serienproduktion) nur noch relativ wenige Teile (im Vergleich zu früher) hergestellt.
  • 2) Andere Lieferanten: Außerdem werden immer häufiger die Ersatzteile nicht mehr von dem ursprünglichen Lieferanten hergestellt, sondern von Firmen, die sich zum Teil genau auf dieses Geschäft spezialisiert haben. Sie bekommen dann die Originalwerkzeuge, lagern sie ein und bei Bedarf werden wieder einige Teile gefertigt. Zu unterscheiden ist dabei Folgendes: Handelt es sich zum Beispiel um ein Teil eines hochvolumigen Mittelklassewagens (VW Golf oder Opel Astra), das bei Unfällen häufig beschädigt wird (z.B. Scheinwerfer, Stoßstange, Kotflügel), dann sind die Produktionszahlen natürlich wesentlich höher, als wenn es sich um ein Steuergerät in einem Fahrzeug der Luxusklasse (Mercedes S-Klasse, 7-er BMW) handelt, das relativ selten den Geist aufgibt.
  • 3) Teile werden einzeln verpackt: Für die Verwendung - zum Beispiel in Werkstätten - müssen die Teile auch ganz anders verpackt werden als in der Serienproduktion. Hier kommen sicherlich keine Tiefzieh-Form-Folien zum Einsatz und auch die Verpackung in KLTs (Klein-LadungsTräger) ist wohl eher unüblich. Im Servicefall kommen hauptsächlich Kartonverpackungen zum Einsatz, in denen die Teile entweder einzeln oder entsprechend paarweise zu finden sind.
  • 4) Bedienungs- und/oder Reparaturanleitungen müssen beigelegt werden: Da diese Teile nicht immer nur an eingewiesenes Fachpersonal (OEM eigene Werkstätten) geliefert werden, sondern auch an den Endkunden verkauft werden, müssen entsprechende Anleitungen den Verpackungen beigefügt werden, so dass auch Laien den Austausch vornehmen können (Bremsen und Lenkung sicherlich eher nicht!).
  • 5) Teile werden von Werkstattpersonal, nicht von trainierten Bandarbeitern montiert: Aber auch wenn es sich um geschultes Werkstattpersonal handeln sollte, dann bedarf es sicherlich immer noch einer gewissen Betreuung / Anleitung. Denn wenn jemand am Montage-Band das entsprechende Teil vielleicht 30 mal in der Stunde montiert, hat der Mechaniker in der Werkstatt vielleicht jede Woche (oder sogar nur jeden Monat einmal) mit einem entsprechenden Teil zu tun. Daher fehlt in aller Regel in den Werkstätten die Routine im Vergleich zu den Arbeitern am Montageband.
  • 6) Einbausituation in der Werkstatt unterscheidet sich zum Teil gewaltig von der Situation am Band: Manchmal muss das zu ersetzende Teil vielleicht erst einmal frei gelegt werden, um es austauschen zu können. Dafür sind dann zum Beispiel entsprechende Demontageanleitungen für das Umfeld notwendig.

Wenden wir uns nun dem neuen Manual zu - und an dieser Stelle sei eine persönliche Anmerkung erlaubt: Ich bin immer noch entsetzt darüber, wie die AIAG es geschafft hat, auf insgesamt 70 Seiten so wenig tatsächlich neue Information zu verteilen. Das einzig wirklich Neue befindet sich auf den beiden Seiten 12 und 13. Auf Seite 12 finden sich die Definitionen der eingangs erwähnten Ersatzteile (Procured und Consigned Parts - halbe Seite), sowie eine Unterscheidungstabelle für diese beiden Arten (Rest der Seite).

Die Abbildung zeigt 2 Tabellen der Service-PPAP, oben in englischer unten in deutscher Sprache | © © i-Q Schacht & Kollegen Qualitätskonstruktion GmbH
Tabelle Service-PPAP © i-Q Schacht & Kollegen Qualitätskonstruktion GmbH
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Auf der Seite 13 erfährt dann der geneigte Leser ein paar Informationen zu den "Remanufactured Parts and Requirements". Grundsätzlich gelten alle Anforderungen, die an:

 

  • BOM - Teileliste
  • MRP List (Mandatorry Replacement Parts List; also die Liste der Teile, die auf jeden Fall ausgetauscht werden müssen. Dabei handelt es sich in aller Regel um Dichtungen und Schrauben, welche z.B. in die Streckgrenze hinein angezogen werden müssen.)
  • Component Reclaim acceptance criteria
  • In Process, Component and End of Line Test requirements
  • Fastener Torque requiremenst
  • Cleanliness requirements
  • Product Validation requirements
  • Audit requirements
  • ebenfalls gestellt werden.

     

Letztlich werden diese folgende Themen erwähnt:

DFMEA (Anmerkung: Hier sollte eigentlich das gleiche stehen wie bei den Serienteilen, denn an den Zeichnungen/Vorgaben sollte sich nichts geändert haben)

Labeling: Muss sich nach allen Vorgaben richten (Anmerkung: Und was ist daran neu?)

Abweichungen: Alle Abweichungen gegenüber den "normalen" Serienteilen müssen dem OEM berichtet werden (Anmerkung: nochmal - was ist daran neu?)

Mein persönliches Fazit zum Service-PPAP ist: Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass die AIAG etwas zur Bemusterung von Serviceteilen veröffentlicht hat. Allerdings hätte es nach meiner persönlichen Einschätzung auch ein Update des normalen PPAP getan. Eine vollkommen neue Schrift wäre dazu sicherlich nicht notwendig gewesen.

Falls Sie den Wert dieser neuen Ausgabe ganz anders einschätzen, freue ich mich auf Ihren Kommentar zu diesem Beitrag - und auch Ihre Zustimmung ist willkommen. In Erwartung eines regen Austauschs und mit einem freundlichen Gruß in die gesamte Gemeinde der Qualitäter,

Jörg Schacht (Geschäftsführender Gesellschafter der i-Q GmbH) Schwaig bei Nürnberg im Januar 2015

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