Entscheidungsanalyse im Alltag - Urlaubsplanung leicht entschieden
Wer kennt das nicht: die Planung für den nächsten Urlaub steht an und die Frage, wohin es gehen soll, scheint mal wieder zu endlosen Diskussionen zu führen. Dabei ließe sich mit der Entscheidungsanalyse ein Prozess auch im Alltag einsetzen, der alle Aspekte gleichermaßen berücksichtigt, unterschiedliche Forderungen und Ansichten einzelner Beteiligter ernst nimmt, die geringsten Risiken birgt und zu einem Kompromiss als Entscheidung führen wird, den alle Betroffenen mittragen werden. Wie Entscheidungsanalyse im Alltag funktionieren kann, soll am Beispiel von Familie Sorglos gezeigt werden.
Urlaub - Wie entscheidet sich Familie Sorglos?
Familie Sorglos ist eine 5-köpfige Familie mit Hund und wohnt in einer Kleinstadt am Niederrhein. Die beiden Eltern, Bernhard (45) und Anni (47), sind voll erwerbstätig, die beiden älteren Töchter (Susi, 21 und Maxi, 16) sind bereits in der Ausbildung, die Jüngste (Minni, 14) geht zur Schule. Die 4-jährige Labrador-Hündin verträgt das Autofahren problemlos und kann deshalb überall hin mitgenommen werden.
Die Familie will im kommenden Jahr 14 Tage in Sommerurlaub fahren und wie in jedem Jahr wollen alle Familienmitglieder mit. Und wie in jedem Jahr gibt es kontroverse Diskussionen, wohin die Reise gehen soll. Dabei hat jedes Familienmitglied seine eigenen Vorstellungen:
- Vater Sorglos will in die Berge. Er hat die Finanzen im Blick und daher ärgert es ihn, zur Hauptferienzeit reisen zu müssen. In jedem Fall will er die Kosten so gering wie möglich halten.
- Anni Sorglos fährt am liebsten an die See und genießt die Ruhe (ihre Kinder sagen „Pampa“ zu ihren ruhigen Urlaubszielen). Sie ist Sehenswürdigkeiten gegenüber nicht abgeneigt, aber will auch nicht mehr so weit weg.
- Susi Sorglos interessiert nur eins: Sonne, Meer und Traumstrand. Mit der Familie fährt sie nur, weil sie noch kein eigenes Einkommen hat und am liebsten würde sie fliegen. Allerdings legt sie Wert darauf, nicht mit ihren Schwestern ein Zimmer teilen zu müssen.
- Maxi Sorglos will auf keinen Fall in die „Pampa“, sondern im Urlaub was erleben. Darunter versteht sie meistens Städtetouren, welche sich hervorragend zum Einkaufsbummel eignen.
- Minni Sorglos ist es relativ egal, wohin der Urlaub geht – Hauptsache, sie hat ihre Ruhe und kann sich durch alle Bücher lesen, die sie mitnimmt. Großen Bewegungsdrang hat sie sowieso nicht und am liebsten wäre ihr ein Internetanschluss vor Ort.
- Dem Hund ist es vollkommen egal, wohin es geht – solange der Fressnapf und die Hundedecke dabei sind.
Um von den Essenzeiten eines Hotelbetriebes unabhängig zu sein, macht Familie Sorglos schon seit Jahren keinen Pauschalurlaub mehr. Weil auch zuhause alle ein eigenes Zimmer haben, müssen ausreichend Zimmer am Urlaubsort vorhanden sein. Und weil viele Frauen lange Zeit im Bad brauchen, sind auch zwei Badezimmer besonders wichtig. Aufgrund der Personenanzahl kommt daher nur ein Ferienhaus in Frage, welches auch zusätzlich das Mitbringen von Hunden gestattet.
Der Weg der Entscheidungsanalyse
Diese Ausgangssituation kann zu einer bekannten Grundsatzdebatte führen, die in der scheinbar unlösbaren Entscheidungsfrage „Berge oder Meer“ endet. Anschließend wird sich mindestens die Hälfte der Betroffenen als Verlierer fühlen. Muss aber nicht sein – wenn man gemeinsam mit allen Beteiligten einen Prozess erarbeitet, der aus dem QM bereits bekannt ist und bei dem ein Kompromiss gefunden wird, mit dem alle leben können (Anmerkung: es sei denn, die Diskussionsteilnehmer befinden sich in der pubertären Phase – dann sind Kompromissfähigkeiten konträr zum entdeckten eigenen Willen).
Ziel dabei ist es, dass unterschiedliche Forderungen und Ansichten einzelner Beteiligter berücksichtigt werden. Die Entscheidungsanalyse lässt sich sogar innerfamiliär einsetzen, um einen optimalen Kompromiss zu finden – die Entscheidung wird transparent und zeigt, warum diese Entscheidung gefällt wurde und nicht eine andere. Bis auf den Hund ist jeder in den Entscheidungsprozess einbezogen und kann aus seiner Sicht der Dinge argumentieren. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass dieser Prozess einen Gruppenprozess darstellt, der die Entscheidungen vom Einzelnen auf die Gruppe überträgt und damit entfällt auch das übliche väterliche „Basta!“.
Das Vorgehen der Entscheidungsanalyse ist in drei Hauptphasen aufgeteilt:
- 1. Zielsetzungen aufstellen
Die aufgestellten Zielsetzungen der Familienmitglieder werden formuliert und aufgeschrieben und müssen nun daraufhin untersucht werden, ob sie Muss- oder Wunsch-Ziele darstellen. „Muss-Zielsetzungen“ sind Forderungen, die unbedingt erfüllt werden müssen, wenn eine Alternative (KO-Kriterium) in der weiteren Auswahl bleiben will. Alle anderen Zielsetzungen sind „Wunsch-Zielsetzungen“. Die Wunsch-Ziele haben jedoch nicht alle den gleichen Wert für die Entscheidung. Aus diesem Grund wird eine relative Gewichtung dieser Wunsch-Ziele untereinander vorgenommen.
- 2. Alternativen bewerten
Als bewährtes Hilfsmittel zur Bewertung der Wunsch-Ziele dient die Präferenzmatrix, mit der eine größere Anzahl von Wunsch-Zielen miteinander verglichen werden kann. Man vergleicht dann jeweils ein Wunschziel direkt mit einem anderen. Die Häufigkeit, mit der ein Wunschziel auftritt, gibt einen Hinweis auf die Gewichtung dieses Wunschziels. Im Fall des Familienurlaubs können die verschiedenen Wunschvorstellungen durch den direkten Vergleich in der Präferenzmatrix für alle nachvollziehbar eine angemessene Bewertung erfahren Letztendlich wird eine größere Identifizierung aller Beteiligten mit der später getroffenen Entscheidung erreicht.
- 3. Risikoermittlung durchführen
Man kann sich die Enttäuschung der Familienmitglieder, deren Wünsche nicht ausreichend erfüllt worden sind, zu Nutzen machen, indem sie bei der abschließenden Risikoanalyse kreativ werden. Das Ergebnis ist eine umfassendere und mehr bewusste Einschätzung des Risikos der einzelnen Alternativen. In jeder Alternative stecken Risiken, die die Effektivität beeinträchtigen können. Hier gilt es die Auswirkungen eventuell auftretender Nachteile festzustellen. In jedem Fall gilt es, separat Alternative für Alternative destruktiv zu prüfen. Ansatzpunkte dieser Betrachtung sind z.B. persönliche Erfahrungen oder dass bei der Alternativauswertung hoch gewichtete Wunschziele nur schwach erfüllt oder gar vergessen worden sind. Die Summe der Risiken gibt nur einen subjektiven Anhaltspunkt darüber, inwieweit die bisherige vorläufige Entscheidung gefährdet ist. Es hängt jetzt von der Risikobereitschaft und dem Sicherheitsdenken der Gruppe ab, für welche Alternative sie sich endgültig entscheidet.
Friedlicher Familienurlaub
Die Trennung der Zielsetzungen nach Muss- und Wunsch-Zielen ist einer der zentralen Prozessschritte, die alle Beteiligten zur Diskussion und zum Finden einer abschließenden Entscheidung führt, welche von allen Beteiligten getragen wird.
Im Falle von Familie Sorglos könnte eine mögliche Lösung sein: die Familie fährt nach Sardinien – dort ist es sonnig, Berge und Meer sind gleichermaßen vorhanden und außerhalb der Saison laufen auch die Finanzen nicht aus dem Ruder.
Nur die Meinung des Hundes wurde nicht berücksichtigt – aber der wurde ja auch nicht gefragt.